Presse

Ist der Kirschgarten verkauft? Ja! Der Rubel rollt! Sieben Greifswalder haben sich als Bürgertheater unter der Regie von Elisa Müller und dem Institut für Widerstand im Postfordismus an Anton Tschechows „Kirschgarten“ versucht und ein ambitioniertes Stück auf die Bühne gebracht. Es geht um Verlustangst, Melancholie, gesellschaftlichen Um- und Aufbruch. Alles Attribute, die gemäß des Untertitels „Heimat hoch 4“ sowohl auf die Wendezeit als auch auf die Entstehungszeit des Stücks im Russland um 1900 anwendbar sind.
(…) Die Handlung des OriginalstĂĽckes von Tschechow ist komplett aufgelöst, szenisch durcheinandergewirbelt (…) Elisa MĂĽller hat das StĂĽck performativ gestaltet, es gibt keine fest zugeordneten Rollen, mal spricht der beeindruckende Carsten Lange die Gutsbesitzerin Ranjewskaja, dann ĂĽbernimmt Annika-Marie Stein einen ganzen Dialog des unglĂĽcklichen (Fast-)Liebespaares Anja und Trofimow. Jeder trägt ganze Passagen vor, die Auswahl der Texte konnten die Schauspieler zu Beginn der Proben selbst vornehmen. (…) Faszinierend: Die gesprochenen Inhalte entfalten ihre Wirkung unabhängig davon, wer sie gerade vorträgt – die Sätze entwickeln ein Eigenleben und stehen frei von einer zugeordneten Rolle im Raum. (…)
Ein knapp fünfminütiger „Sturm“ voller Licht- und Toneffekte taucht den Saal in dichten Nebel und lässt Kirschblüten von den Decke regnen. Dezenter, aber nicht minder gut: Der Schriftzug „Es war einmal“ wird in Kreide auf eine Tafel geschrieben. Später wird er sorgfältig abgeschrubbt. War es nun nicht mehr?
Die Interpretation von Elisa Müller ist zu einer wilden und schnellen Aufnahme des gesellschaftlichen Wandels geworden, trotz einiger komischer Momente dominiert die Melancholie. Eine Antwort auf die im Stück immer wiederkehrende Frage „Was sollen wir tun?“ gibt es nicht. Am Ende geht – ganz das Leben – jeder seinen Weg.
Ostseezeitung | Kultur | Kritik „Prost! Der Kirschgarten ist verkauft“ | von Anne Ziebarth | 13. Januar 2020

Kein Mensch rĂĽhrt sich – bis ein Mann die BĂĽhne von der Seite betritt. Er steht still, zĂĽckt sein Smartphone, um Fotos von den Zuschauern zu machen, und mischt sich schlieĂźlich unter die Menge. Curveball? Auf der BĂĽhne folgt nun lautes Getöse, und unter der schwarz glänzenden Folie baut sich ein nicht genauer definierbares UngetĂĽm auf – ein Luftschloss, möchte man meinen. (…) ZurĂĽck bleibt ein ratlos lächelndes und um sämtliche vermeintliche Gewissheiten gebrachtes Publikum.
taz Die Tageszeitung | Kultur | Kritik „Curveballs Mission“ | von Annika Glunz | 6. November 2017

Müllers Institut, das eng mit der „Vierten Welt“ von Dirk Cieslak zusammenarbeitet, umkreist sein Thema in Ellipsen. Mischt historische Fakten und persönliche Fiktionen. Lässt die Performerin Ren Saibara ein großartiges Poem über das Vergessen tanzen. Und landet immer wieder in der Gegenwart. (…) Ganz klar: Der Abend bedient keine Erwartungen.
Tagesspiegel | Kultur | Kritik „Lieder können die Würde retten“ | von Patrick Wildermann | 17. Juli 2017

In einer solch subtilen Schwebe zwischen Geschehenem und Vorgestelltem bewegt sich auch die Performance „music for the future“. Im Abendkleid tritt die Performerin Elisa Müller hinter den Bäumen hervor und versucht das Publikum durch die Kraft der Imagination mitzunehmen in die düstere Zeit.
Berliner Zeitung | Kultur | Kritik „Das Verdursten der Sinnlichkeit“ |von Doris Meierhenrich | 17. Juli 2017

Am Ende des Abends ist man sich sicher: Nein, Angst brauchen wir keine zu haben, wenn wir uns reflektiert aufmachen in die Zukunft.
taz Die Tageszeitung | Kultur | Kritik „Das innerliche nein“ | von Annika Glunz | 17. Juli 2017

In der Alten Zollgarage am ehemaligen Tempelhofer Flughafen wird die Spielfläche von kopfüber herabhängenden Bäumen begrenzt, sie bilden eine grüne Wand. Auch dazu gibt es eine Geschichte; sie erzählt davon, wie man sich abgrenzt und nicht hinschaut, wenn es unangenehm ist. Man sollte sehr gut zuhören an diesem Abend: Die Darsteller setzen häufig neu an, manche Geschichten erzählen sie nicht zu Ende und lassen Lücken. Immer wieder gibt es überraschende Sätze (…) in dieser klugen und ungewöhnlichen Performance.
zitty Stadtmagazin | Vorankündigung | „Blick zurück nach vorn“ | Regine Bruckmann | 12. Juli 2017

Interview mit dem Institut auf multicult.fm (28. Dezember 2015):
Interview
Bericht im nd (31. Dezember 2015):
Bericht

Die performative Intervention „Institut fĂĽr Widerstand im Postfordismus“ versucht es anders. Intellektueller und zeitgemäßer. In einem zeltartigen Isolations-Bereich werden Besucher einzeln ĂĽber Videocollage und theoretische Texte mit dem Geist der nahenden Revolution (prognostiziert von den mitwirkenden WissenschaftlerInnen bis 2030) infiziert und anschlieĂźend mit einem pseudo-therapeutischen Gespräch konfrontiert: Wie hoch ist mein Widerstandspotenzial? Warum setze ich es nicht ein? Wo werde ich es einsetzen? –Zwar ist diese Anrufung des revolutionären Subjekts ein Widerspruch in sich, aber einen sympathischen Aktivierungsschub verspĂĽrt man beim Verlassen des Widerstands-Instituts dann tatsächlich.
Nachtkritik | „Vom Verspüren eines sympathischen Aktivierungsschubs“ | Tobias Krone | 1. November 2015
Nachtkritik

taz Berlin, März 2015

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